Teilnehmertypen beim Seminarstart

Wie reagiert man auf verschieden Typen?


Teilnehmertypen beim Seminarstart

Von der Motivation der Teilnehmer hängt auch der Trainingserfolg ab. Wenn die Teilnehmer kein Interesse am Thema haben, hat es der Trainer umso schwerer.

Sicherlich haben Sie als Trainer von Teilnehmer auch schon Aussagen gehört wie:"Ich bin hier, weil mein Vorgesetzter mich schickt."

"Ich bin 58 und gehe in zwei Jahren in Pension. Da brauche ich nichts mehr zu lernen."

"Eigentlich müsste hier mein Kollege sitzen. Aber der muss an einem wichtigen Projekt arbeiten. Deshalb hat der Chef mich geschickt."

"Ich weiß nicht, was das Teamtraining soll. Wir arbeiten doch schon im Team!"

"Ich habe schon etliche Seminare mitgemacht. Aber in der Praxis sieht das doch alles ganz anders aus!"

"Ich weiß nicht, was ich auf einem Führungstraining soll. Eigentlich müsste mein Chef hier sitzen."

"Bei uns ändert sich nur dann etwas, wenn sich im Vorstand was ändert."

Solche Teilnehmeraussagen haben viele Trainer schon erlebt. Wenn Sie diese Negativ-Einstellung nicht am Seminarbeginn entschärfen, können diese Teilnehmer den ganzen Seminarverlauf stören.

 

Steve de Shazer (1989) unterscheidet drei Arten von Teilnehmern:

1. den Besucher

2. den Kläger

3. den echten Kunden.

 

1. Der Besucher ist nur auf Besuch im Seminar.

Er ist "zwangsbeglückt", sein Chef hat ihn geschickt, ohne die Zielsetzung des Seminars deutlich zu machen. Er kommt ohne Anliegen, ohne Auftrag und ohne messbare Einstiegsmotivation. Zu allem Überfluss weist er oft Hilfestellungen des Trainers zurück: Er ist ja nur auf Besuch. Gegen Ende des Seminars, behauptet der Besucher auch noch, dass ihm das Ganze nichts gebracht hätte, an seinen eigentlichen Problemen vorbeigehe. Da dieser Teilnehmer kein Anliegen hatte, konnte ihm das Seminar nichts bringen, Das liegt nicht an Ihrem Seminar, das liegt an der Besucher-Einstellung. Diese werden Sie bei Seminaren in der Wirtschaft relativ häufig antreffen. Denn viele Seminare sind für die Teilnehmer Pflichtveranstaltungen, weil sie in Veränderungsprojekte eingebettet sind.

 

Wenn Sie den Prozentsatz der Besucher ermitteln wollen, fragen Sie in der Anfangsrunde ganz einfach:

  • Wer wurde vom Chef geschickt?
  • Wer ist aus eigenen Stücken hier?
  • Wie gehen Sie mit Besuchern um?

Die spontane Reaktion ist: Wir sind mit so wenig Motivation unzufrieden. Was jedoch hier hilfreich ist, ganz bewusst auf Wertschätzung schalten: Immerhin hat der Teilnehmer die Anreise auf sich genommen und ist pünktlich erschienen. Außerdem ist er so ehrlich, sein "Geschicktsein"zuzugeben.

So stellen Sie sich innerlich und nonverbal auf die Seite des Teilnehmers. Der bemerkt die Wertschätzung und ist nun eher bereit, sich auf seine Kundeneigenschaften zu besinnen.

Denn jeder Mensch hat Erwartungen, Ziele und Interessen. Man muss sie nur wecken. Um den Kunden im Besucher zu wecken, werden Sie versuchen, ein klares Anliegen oder einen klaren Auftrag von ihm zu bekommen. Wie? Wie immer: durch Fragen. " Okay, Ihr Chef hat Sie geschickt. Was könnte für Sie bei dem Seminar herauskommen? " 

Wann wäre für Sie das Seminar ein voller Erfolg? Nehmen Sie es nicht persönlich, wenn der Teilnehmer kein klares Ziel hat. Er hat ein Problem, bei dem Sie ihn unterstützen können. Wenn er auch beim Nachfragen kein eindeutiges Ziel formuliert - auch nicht schlimm. Man ist nicht immer so klar reflektiert, dass man seine Ziele artikulieren kann. Vielleicht kommt das ja noch während des ersten Tages.

Wenn der Besucher partout keinen Sinn im Seminar sieht, fragen Sie ihn, welche Vor- und Nachteile es hätte, das Seminar zu verlassen. Das löst einen intensiven Entscheidungsprozess aus. Entweder der Teilnehmer entscheidet sich dann bewusst, aus welchen Gründen auch immer ("mein Chef hat's befohlen!"), zu bleiben oder tatsächlich zu gehen. Für den Rest der Teilnehmer ist das eher von Vorteil.

 

2. Der Kläger

kommt zwar freiwillig und mit klaren Lernzielen, übernimmt aber keine Verantwortung für sich und seine Veränderung:

"Eigentlich müsste mein Vorgesetzter hier sein."

"Ich schaue mal, wie Sie es schaffen, mich zu verändern."

"Das klappt nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen."

"Bei uns ändert sich eh nix."

 

Die Verantwortung für das eigene Lernen wird delegiert. Die anderen sind schuld. Kläger nehmen die typische Opferhaltung ein. Manche jammern das ganze Seminar durch über ihre schwierige Situation. Die spontane Reaktion ist den Teilnehmern noch mehr Hilfen anzubieten. Auch diese werden dann von den Klägern abgeschmettert. Schenken Sie dem Kläger zunächst Ihre echte, ungeteilte Aufmerksamkeit und Ihr ungetrübtes Interesse. Hören Sie aktiv zu. Gehen Sie mit ihm mit. Das ist die berühmte Ankopplungsfähigkeit des Trainers: Ein guter Trainer kann sich auf die Teilnehmer einstellen. Er ist wie eine Lok, die sich an die Waggons ankoppelt. Erst nach dem Ankoppeln gehen Sie den entscheidenden Schritt voran.

 

Richtig, mit Fragen:

  • Das hört sich allerdings schlimm an. Gibt es irgendetwas, was Sie tun könnten, um die Situation wenigstens ein wenig zu verbessern?
  • Haben Sie Ideen, wie Sie die Situation verändern können?
  • Wie können Sie Ihren Vorgesetzten in eine andere Richtung lenken?

 

So machen Sie das hilflose Opfer selbst zum aktiven Gestalter. Sie steigern seine Eigenverantwortung. Manchmal kann das dauern und echte Schwerstarbeit darstellen. Wer 30 Jahre lang jammern gelernt hat, wird nicht innerhalb von drei Minuten authentisch und eigenverantwortlich.

Doch je eher Sie es schaffen, dass der Kläger sich selbst wieder verantwortlich fühlt, desto eher wird er zum echten Kunden.

 

3. Der echte Kunde

ist den meisten Trainern der liebste Teilnehmer.

Er hat ein klares Anliegen und übernimmt Verantwortung für die Umsetzung des Gelernten. Sie holen seinen Auftrag ab, helfen ihm vielleicht bei der Zielformulierung. Stellen dann Ihr Training darauf ein. Dies ist natürlich für den Trainer die schönste Situation. Übersicht: Typen von Teilnehmern

 

Übersicht: Typen von Teilnehmern

 

 

 

Autor: Ingo Krawiec, Krawiec Consulting

Zweite, überarbeitete Fassung vom 05.08.2014