Selbstreflexion für Trainer

Was kann ich als Trainer tun, um meine Selbstreflexion zu fördern?


Selbstreflexion für Trainer

Die Fähigkeit zur Selbstreflexion ist für einen Trainer äußerst wichtig, um auch über die eigene Person und das eigene Verhalten nachzudenken. Wenn man als Trainer nicht nur den Lehrplan durchziehen, sondern auch die Gruppe und den Prozess im Auge behalten will, ist es notwendig, sich ab und zu eine Auszeit zu nehmen, um eine Zwischenbilanz des Seminars zu ziehen.

Um als Seminarleiter voll "am Ball" zu sein, ist es notwendig die Gruppe und den Lernprozess zu beobachten und in sich hineinzuhören, um Informationen zu sammeln und so zu erkennen, was gerade läuft. Aus dem Bewusstmachen, was bisher geschah und was die Gründe hierfür waren, können sich Konsequenzen für den weiteren Seminarverlauf ergeben.

Gerade in schwierigen Situationen ist ein hohes Maß an Selbstreflexion wichtig. Man muss gegebenenfalls blitzschnell entscheiden, ob man selbst durch sein Verhalten oder eine Äußerung irgendetwas ausgelöst hat, oder ob der Auslöser in der Gruppe lag oder vielleicht sogar beide Parteien beteiligt sind.

 

Bei Verhaltenstrainings sind diese Einsichten selbstverständlich. Sie argumentieren jetzt vielleicht, indem Sie sagen "bei meinem IT-Training ziehe ich sowieso nur den Trainingsplan durch und gehe weniger auf das Befinden der Teilnehmer ein". Aber macht dies ein erfolgreiches Training aus? Ich glaube eher nein.

Auch in rein fachlichen Seminaren ist es für Trainer wichtig, das soziale Geschehen im Seminar zu beobachten und zu steuern. Stimmt es mit der Gruppendynamik nicht oder gibt es ein Problem in der Beziehung zwischen Trainer und Teilnehmern führt dies sofort zu einer Lernblockade.

Wer kennt dieses Problem nicht noch von der Schule her: Einem Lehrer, den ich nicht mag, höre ich auch nicht so gerne zu.

 

Glück hat auf Dauer nur der vorbereitete Geist.Volksweisheit

 

Was kann ich als Trainer tun, um meine Selbstreflexion zu fördern und diese sinnvoll für den Seminarerfolg einzusetzen?

1. Die Pausenbilanz

Die Pausenbilanz bezeichnet die Möglichkeit, sich als Trainer während oder nach dem Seminar eine Auszeit zu nehmen, um den Lernprozess zu reflektieren. Dies setzt natürlich voraus, dass es während des Seminars auch Pausen und Auszeiten für Sie gibt und Sie nicht jede freie Minute mit der Gruppe verbringen. Nutzen Sie diese Pausen oder Auszeiten während der Gruppenarbeit für eigene Reflexionen und Ihre Seminarplanung. Die eigenen Gefühle und Empfindungen können hier Indikator für Unstimmigkeiten in der Gruppe oder in der Beziehung zwischen Ihnen als dem Trainer und den Teilnehmern sein.

 

Diese Fragen dienen Ihnen als Hilfe:

Fragen für mich als Trainer

  • Wie geht es mir nach der Arbeitseinheit?
  • Wie fühle ich mich?
  • Was beschäftigt mich?
  • Worauf weist dies mich hin?
  • Haben diese Gefühle mit der Gruppensituation zu tun?
  • Wer fordert mich heraus und warum?
  • Wie ist mein Verhältnis zum Thema?
  • Wie ist mein Verhältnis als Trainer zu der Gruppe bzw. zu Einzelnen in der Gruppe?

 

Fragen zur Gruppe

  • Wie ist meine Einschätzung der Gruppensituation?
  • Welche besonderen Interaktionen gab es?
  • Wer fiel mir besonders auf und warum?
  • Wie ist die Stimmung in der Gruppe?
  • Fragen zum Thema Wie komme ich bzw. die Gruppe mit dem Thema voran?
  • Welche neuen Themen sind aufgetaucht, die besprochen werden sollten?
  • Wo liegen die Themenwünsche?
  • Bei welchen Themen ist wenig Interesse vorhanden und warum?

 

Fragen zu einzelnen Teilnehmern

  • Wie geht es Einzelnen in der Gruppe?
  • Wie steht es um die Arbeits- und Lernfähigkeit bzw. die Arbeits- und Lernbereitschaft des Einzelnen?
  • Welche Teilnehmer müssen besonders unterstützt oder gefördert werden?

 

2. Austausch mit Kollegen

Um sich über eine Gruppensituation besser klar zu werden, ist manchen die Pausenbilanz zu anstrengend oder zu formal. Wenn Sie sich mit einem Kollegen während des Seminars austauschen können und die Situationen gemeinsam analysieren, kann das sehr hilfreich sein. Optimal sind natürlich Seminare, wo von vornherein zwei Leiter vorgesehen sind. Hier kann kontinuierlich der Seminarprozess analysiert und reflektiert werden. Wenn Sie keinen zweiten Kollegen haben, können Sie vielleicht am Abend mit einem Arbeitskollegen telefonieren oder ihn zwischendurch am Arbeitsplatz aufsuchen. Durch den Austausch mit einer zweiten Person können neue Sichtweisen gewonnen werden. Dies muss nicht zwingend ein Kollege sein, gerade was den zwischenmenschlichen Bereich angeht, kann es Ihnen auch weiterhelfen, sich mit einer Ihnen nahe stehenden Person auszutauschen. Oft werden Dinge schon klarer, wenn man sie einem Dritten schildert.

 

Es sollten hier zwei Fragen beantwortet werden:

  • Wie wird die Seminarsituation eingeschätzt? (Hypothesenbildung)
  • Wie kann auf die Einschätzung reagiert werden? (Nächste Schritte)

 

3. Das Seminar-Logbuch

Wer sein Seminar intensiv beobachten möchte, dem kann ein Seminar-Logbuch weiterhelfen. Dies kann gerade bei neuen Seminaren hilfreich sein, um zu analysieren, wie bestimmte Übungen oder Themen bei den Teilnehmern ankommen. Im Seminar-Logbuch wird zu jeder Seminareinheit eine Einschätzung vorgenommen, z.B. wie es mit der Gruppe voran ging, wie die Methoden und Medien ankommen, wie intensiv das Thema bearbeitet worden ist und wie es einem selbst in der Seminarsituation ging. Dies klingt sehr aufwendig, kann aber für zukünftige Seminare sehr hilfreich sein. Wenn man bewusst jede Einheit analysiert, kann man von seinen Seminaren viele Ideen zur Qualitätsverbesserung mitbringen.

 

4. Die Qualität der Selbstreflexion

Selbstreflexion kann man lernen wie viele andere Dinge. Je häufiger man Trainings durchführt, um so mehr sieht man und kann sich und die Teilnehmer einschätzen. Fortbildungen können natürlich auch helfen, Gruppenprozesse und sich selbst besser einzuschätzen. Auch ist ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch der Trainer untereinander hilfreich, um die Dinge von einem neuen Standpunkt aus zu sehen. Das Lesen von Fachliteratur über Kommunikation, Train the Trainer oder Gruppendynamik hilft, neue Einsichten über sich, Kommunikation und Gruppen zu bekommen. Selbstreflexion setzt auch in der Trainerrolle ein hohes Maß an Bewusstheit über die eigene Person voraus.

Je besser ich mir in einer Situation bewusst bin über meine eigenen Gedanken, mein Verhalten und meine Gefühle, umso besser und effektiver kann ich auch in schwierigen Situationen handeln. Selbsterfahrung und Persönlichkeitsentwicklung sind für jeden Trainer wichtig, um immer wieder neu das eigene Verhalten und die eigene Person zu reflektieren.

 

Autor: Ingo Krawiec, Krawiec Consulting

Zweite, überarbeitete Fassung vom 05.08.2014